Debatte über Kernkraft

Betreiber widerspricht Söders Aussage zur Zukunft von Isar 2

19. November 2024 , 15:38 Uhr

Wer dieser Tage Ministerpräsident Söder lauscht, hört auch viel zum Atommeiler Isar 2. Was der Politiker in seinen Reden behauptet, kann der Betreiber des Kraftwerks nicht mit Fakten unterfüttern.

Entgegen anderslautender Einschätzungen aus der Staatsregierung kann das Atomkraftwerk Isar 2 bei Landshut aus Sicht des Betreibers nicht mehr in Betrieb genommen werden. «Wir konzentrieren uns voll und ganz auf den zügigen Rückbau der beiden Kraftwerksblöcke 1 und 2 am Standort. Vor diesem Hintergrund ist eine Wiederinbetriebnahme von KKI 2 für Preussen Elektra kein Thema», teilte eine Sprecherin auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur in München mit. Die Abkürzung KKI 2 steht für Kernkraftwerk Isar 2.

Preussen Elektra Geschäftsführer: Reaktivierung des Kraftwerks ist vom Tisch

Explizit bestätigte die Sprecherin dabei, dass die zum ersten Jahrestag des deutschen Atomausstiegs am 15. April 2024 von Preussen Elektra Geschäftsführer Guido Knott gemachte Aussage zur technisch unmöglichen Reaktivierung des Kraftwerks weiter gelte. Konkret sagte er damals: «Für uns gibt es also kein Zurück mehr: Das Thema Wiederinbetriebnahme ist für uns damit definitiv vom Tisch.»

Am 15. April 2023 um kurz vor Mitternacht war der deutsche Atomausstieg mit dem Abschalten der letzten drei noch laufenden Meiler vollzogen worden. Neben Isar 2 waren dies das Atomkraftwerk Emsland in Niedersachsen sowie Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Bereits ein halbes Jahr später im Oktober 2023 hatte Knott erklärt, dass die Anlage wegen des laufenden Rückbaus nicht mehr hochgefahren werden kann.

Kühlmittelpumpen und Dampfleitungen zur Turbine sind bereits demontiert

«In Isar 2 haben wir bereits eine Reihe von Systemen dauerhaft außer Betrieb genommen und still gesetzt, das heißt von der Anlage getrennt», sagte die Sprecherin. Beispielweise seien bereits alle vier Hauptkühlmittelpumpen, die im Leistungsbetrieb das Wasser durch den primären Kühlkreislauf gepumpt haben, und Frischdampfleitungen zur Turbine demontiert worden. Der Rückbau soll bis 2040 abgeschlossen sein.

Im Gegensatz zur klaren Absage des Betreibers geistert die Renaissance der Kernkraft in Isar 2 derzeit wieder durch die Politik und könnte auch im anstehenden Bundestagswahlkampf eine relevante Rolle einnehmen. Neben der Union sprechen sich etwa FDP und AfD für eine Rückkehr zur Kernenergie aus.

Jüngst förderte auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Debatte zutage, als er im Anschluss an die Haushaltsklausur des Kabinetts einmal mehr – aber durchaus überraschend – «dringend einen Stopp des Rückbaus bei Isar 2» einforderte: «Noch ist es reversibel. Noch. Es ist nicht irreversibel. Ist mit Aufwand verbunden, keine Frage.» 

Interner Vermerk im Umweltministerium hält Isar 2 Rückbau für reversibel 

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur geht Söders Aussage auf einen internen Vermerk im Umweltministerium zurück. Auf Nachfrage heißt es aus dem Haus von Minister Thorsten Glauber (Freie Wähler), dass die Aufsichtsbehörde in der Tat die Stilllegung und den begonnenen Rückbau von Isar 2 noch für reversibel halte. Allerdings unter einer wichtigen Einschränkung, die etwa Söder nicht erwähnte: «Eine zentrale Voraussetzung für eine Wiederinbetriebnahme wäre eine Änderung des Atomgesetzes des Bundes.»

Staatskanzleichef zweifelt an Aussage von Preussen Elektra

Söders Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) blieb auf Nachfrage bei der politischen Einschätzung, dass das Atomkraftwerk wieder in Betrieb genommen werden könne. Die jüngste Absage von Preussen Elektra setzte er mit Aussagen der Atomkraftwerksbetreiber aus früheren Jahren gleich, wonach eine längere Laufzeit der Atommeiler zunächst ausgeschlossen wurde.

Bemerkenswert ist dabei, dass laut Herrmann die Reaktivierung von Isar 2 «immer noch schneller» ginge, als Ersatz-Gaskraftwerke zu bauen. Dass dafür abgesehen von der technischen Umsetzung und der zeitintensiven Beschaffung von neuen Brennstäben auch noch ein umfangreiches Genehmigungs- und Kontrollverfahren durchlaufen werden müsste, erwähnte Herrmann nicht. 

Meiler wie Isar 2 entsprechen nicht mehr neustem Stand der Technik 

In Deutschland mussten bei den Atomkraftwerken alle zehn Jahre periodische Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt werden, bei denen auch die Nachweise an den jeweiligen Stand der Technik angepasst wurden. Im Zuge des beschlossenen Atomausstiegs wurden die Kontrollen aber nicht mehr durchgeführt, weshalb die Meiler zum Zeitpunkt des Atomausstiegs nicht mehr den neusten wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen entsprachen. Rechtlich sind Meiler wie Isar 2 damit gar nicht genehmigungsfähig.

Aiwanger rechnet vor: Isar 2 reaktivieren kostet mehrere Milliarden Euro

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) rechnete dennoch unter Berufung auf nicht genannte Experten vor, dass Isar 2 in drei bis vier Jahren wieder am Netz sein könnte. Die Kosten bezifferte er auf «mehrere Milliarden Euro». Aus seiner Sicht sei der vom Bundestag 2011 nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima beschlossene Atomausstieg ohnehin ein «katastrophaler Fehler», für den man den 13 Jahre später amtierenden Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf Schadensersatz verklagen müsse.

Preussen Elektra will die politische Debatte nicht bewerten. «Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns mit weitergehenden Fragen eines theoretischen Weiterbetriebs von Isar 2 nicht beschäftigen», sagte die Sprecherin.

Quelle: dpa

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