Die überraschende Begnadigung seines Sohnes Hunter durch den scheidenden US-Präsidenten Joe Biden hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst – von verhaltenem Verständnis bis hin zu scharfer Kritik. Der Demokrat, der zuvor mehrfach betont hatte, diesen Schritt nicht gehen zu wollen, nutzte wenige Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit seine präsidiale Macht, um die Verfahren gegen seinen Sohn zu beenden.
Bidens Amtszeit endet am 20. Januar mit der Machtübergabe an den designierten Präsidenten Donald Trump, der die USA bereits von 2017 bis 2021 regierte.
Besonders aus den Reihen der Republikaner hagelte es Kritik. Trump sprach auf seiner Plattform Truth Social von einem «Missbrauch und Scheitern der Justiz» und zog Parallelen zur Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021, nach der viele seiner Anhänger zu Haftstrafen verurteilt worden waren. Diese bezeichnete Trump als «Geiseln».
Sein ältester Sohn, Donald Trump Jr., warf Biden vor, die Begnadigung gezielt nach der Wahl vorgenommen zu haben. Auch andere Republikaner äußerten sich empört, darunter der Abgeordnete James Comer, der Biden der Lüge und «Korruption» bezichtigte.
Tech-Milliardär Elon Musk, der für Trumps künftige Regierung eine Beraterrolle übernehmen soll, kommentierte: «Das Schicksal liebt Ironie … aber es hasst Heuchelei.»
In seiner Mitteilung zu der Begnadigung hatte Biden seine umstrittene Entscheidung mit den Worten verteidigt, sein Sohn sei «ungerecht» behandelt worden und gezielt von politischen Gegnern herausgegriffen worden, um ihm zu schaden. «Kein vernünftiger Mensch kann zu einem anderen Schluss kommen, als dass Hunter nur deshalb herausgegriffen wurde, weil er mein Sohn ist – und das ist falsch», erklärte Biden. Er habe vor der Entscheidung lange mit sich gerungen.
Der Vorwurf, die Justiz als politische Waffe einzusetzen, erinnert dabei an die Argumentation von Trump, der die Verfahren gegen sich selbst wiederholt als «unrechtmäßig» bezeichnete und ein Ende der «politischen Instrumentalisierung» der Justiz forderte.
Die Begnadigung seines Vaters schützt Hunter Biden davor, jemals wegen möglicher Vergehen der vergangenen Dekade auf Bundesebene angeklagt zu werden. Sie geht weit über die konkreten Vorwürfe hinaus, die ihm bisher gemacht wurden und umfasst alle «Vergehen gegen die Vereinigten Staaten», die er im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 1. Dezember 2024 «begangen haben könnte oder an denen er beteiligt war».
Laut dem Nachrichtenmagazin «Politico» gibt es kaum vergleichbare Fälle: Experten zufolge sei eine so umfassende Begnadigung in den letzten Jahrzehnten nur einmal vorgekommen, nämlich 1974, als Gerald Ford den infolge des «Watergate»-Skandals zurückgetretenen Präsidenten Richard Nixon mit einer ähnlichen Formulierung pauschal begnadigte. Diese Begnadigung erstreckte sich jedoch ausschließlich auf den Zeitraum von 1969 bis 1974 – die Amtszeit Nixons als Präsident.
Innerhalb der Demokratischen Partei blieben die Reaktionen größtenteils verhalten, prominente Vertreter äußerten sich bislang kaum. Zu den wenigen öffentlichen Kritikern zählte der demokratische Abgeordnete Greg Stanton. Er schrieb auf X, er respektiere Biden, halte die Entscheidung jedoch für falsch: «Hier ging es nicht um politische Verfolgung. Hunter Biden hat Straftaten begangen und wurde von einer Jury verurteilt.»
Andere Demokraten nahmen Biden in Schutz, indem sie auf die zahlreichen Anklagen gegen Trump verwiesen. So erklärte etwa der Abgeordnete Eric Swalwell, dass diejenigen, die den Republikaner trotz seiner Anklagen verteidigt hätten, sich aus der Diskussion um Hunter Biden heraushalten sollten.
Einige zeigten Verständnis für Bidens Handeln, wiesen aber auf die problematische Optik hin. Der frühere demokratische Präsidentschaftsbewerber Andrew Yang, der die Partei inzwischen verlassen hat, schrieb etwa, die Entscheidung sehe zwar schlecht aus, doch die meisten Väter würden in einer solchen Situation wohl ähnlich handeln.
Hunters Schwester, Ashley Biden, verteidigte ihren Vater auf Instagram: «Danke, Dad! Was sie meinem Bruder anzutun versucht haben, ist grausam und politisch motiviert. Punkt.»
Hunter Biden selbst zeigte sich dankbar. US-Medien zitierten ihn mit den Worten, er wolle die zweite Chance in seinem Leben nutzen, um anderen zu helfen. Fehler, die er «während der dunkelsten Tage» seiner Drogensucht zugegeben habe, seien ausgenutzt worden, um ihn und seine Familie aus politischen Gründen «öffentlich zu demütigen».
Der 54 Jahre alte Präsidentensohn war in zwei Strafverfahren verwickelt gewesen. Im ersten Fall wurden ihm Steuerdelikte vorgeworfen, im zweiten falsche Angaben beim Kauf einer Waffe – im Steuerverfahren bekannte er sich schuldig, im Waffenverfahren wurde er schuldig gesprochen. Im Zuge der Ermittlungen wurden viele pikante Details aus dem Privatleben von Hunter Biden öffentlich.
Das Strafmaß für beide Verfahren sollte ursprünglich im Dezember verkündet werden. Zwar drohten ihm theoretisch hohe Haftstrafen, diese galten jedoch aufgrund seiner fehlenden Vorstrafen als unwahrscheinlich. Beobachter wie der prominente US-Journalist Ezra Klein merkten an, Bidens Entscheidung könnte auch durch Drohungen des Trump-Lagers beeinflusst worden sein, das im Wahlkampf immer wieder offen Vergeltung gegen politische Gegner angekündigt hatte.
Bidens Entscheidung reiht sich in eine lange Tradition von Begnadigungen durch US-Präsidenten ein, bei denen auch immer wieder enge Vertraute oder Familienmitglieder begünstigt wurden. Trump begnadigte 2020 Charles Kushner, den Vater seines Schwiegersohns, der wegen Steuerhinterziehung und Zeugenbeeinflussung verurteilt worden war. Ebenfalls begnadigt wurden sein früherer Wahlkampfmanager Paul Manafort sowie Roger Stone, ein langjähriger Vertrauter.
Auch Bidens Parteikollege Bill Clinton nutzte seine präsidiale Macht für einen Angehörigen: 2001 erteilte er seinem Halbbruder Roger eine Begnadigung für ein Drogendelikt.
Quelle: dpa