+++ UPDATE 11:30 +++
Vortrag des Staatsanwalts:
Er hat uns nochmal mitgenommen an den Tatabend. Konkret an den Moment kurz vor der Tat. Leon steht vor der Tür, er hat das Messer in der Tasche, hat den Plan gefasst, Rebecca umzubringen. So zumindest die Sicht der Staatsanwaltschaft. Nach sechs Minuten im Plädoyer klingelt plötzlich das Handy des Staatsanwalts. Alle dachten erst, das ist jetzt ein Fauxpas, ein Fehler. Dann wurde es still, weil plötzlich klar wurde, das gehört dazu. Der Staatsanwalt hat sechs Minuten mit seinem Handy gestoppt. Also die Zeit, die jetzt laut der Zeugenaussagen ungefähr die Dauer ist, in der Leon Rebecca getötet hat. Eine kurze Zeit, in der, so sagt er, all das gar nicht passiert sein kann, was Leon eigentlich für diesen Zeitraum angegeben hat. Dieses Gespräch, dass sich der Streit entwickelt, der Kampf – dass der zeitliche Ablauf nicht passt, ist ein Argument von ihm gewesen, dafür, dass er die Tat für geplant und eiskalt durchgezogen hält.
Ein anderes ist der viel zitierte Plan, den Leon am 22. Mai in sein Handy getippt hat. Beim Durchgehen der einzelnen Schritte wird laut dem Staatsanwalt klar, dass eigentlich bis zur Tat selbst alles minutiös so passiert ist, wie Leon das zuvor in sein Handy geschrieben hat. Auch die Anwältin der Nebenklage hat diesen Fakt nochmal rausgestellt und eine Theorie aufgestellt. Wollte er vielleicht mit dem Videodrehen im Notruf mit der Polizei ein bisschen auf wahnsinnig machen? Alibimäßig sich den Unterarm aufschneiden? War das vielleicht alles Schutzbehauptung und Plan B, falls der Mord nicht so klappt wie geplant?
Vortrag des Verteidigers:
Naturgemäß geht er davon aus, dass sein Schützling die Wahrheit sagt. Dass er an dem Tag nach Bindlach gefahren ist, nicht nur um Rebecca umzubringen, sondern auch um sich das Leben zu nehmen. Das hatte Leon so in der zweiten Einlassung ausgesagt. Bei der zweiten Aussage von Leon fiel auch der Begriff „erweiterter Suizid“. Das ist das Kernargument des Verteidigers, um auf eine wesentlich niedrigere Strafe zu plädieren. Er sagt, nur weil ein erweiterter Suizid nicht klappt an einer Person, heißt das noch lange nicht, dass er nicht geplant war. Und er sagt, dass dieser Begriff „erweiterter Suizid“ ja eigentlich passe, weil eine nahestehende Person von Leon betroffen ist.
Gefordertes Strafmaß:
Nebenklage und Staatsanwaltschaft sind sich bei zwei Dingen einig. Leon ist, weil keine Entwicklungsverzögerung erkennbar ist, nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen und eine anschließende Sicherungsverwahrung zumindest vorzubehalten ist. Angeordnet werden kann die noch nicht, weil der Fall vor einer Jugendkammer verhandelt wird.
Zu guter Letzt geht es dann in jedem Plädoyer noch um das Strafmaß, das gefordert wird. Die Staatsanwaltschaft fordert 14 Jahre und 6 Monate. Es gibt den kleinen Minderungsgrund, dass zumindest erwartbar ist, dass Leon in irgendeiner Form noch resozialisiert werden kann. Die Nebenklage ist knallhart und fordert 15 Jahre Haft für Leon D. Der Antrag des Verteidigers fällt natürlich wesentlich moderater aus. Er geht eben von der Theorie erweiterter Suizid aus, also kein Mord, sondern Totschlag. Entsprechend fordert er 9 Jahre Haft und keine anschließende Sicherungsverwahrung. Das unterscheidet den Antrag auch von den beiden der anderen Parteien.
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Im Bindlacher Mordprozess gegen Leon D. hört die Jugendkammer heute (5.11.) die Abschlussplädoyers. Der zuständige Staatsanwalt und der Verteidiger des Angeklagten werden jeweils aus ihrer Sicht den Prozess zusammenfassen und abschließende Anträge stellen. Für Leon D. beginnen damit die entscheidenden Stunden auf dem Weg zum Urteil.
Besonders die Antworten auf zwei Fragen werden für Leon D. heute entscheidend sein. Erstens, wie beurteilt ihn die Kammer? Nach Jugend oder nach Erwachsenenstrafrecht? Das entscheidet darüber, wie hoch die Maximalstrafe ist, die Leon erwarten könnte. Dass Leon D. eine hohe Gefängnisstrafe zu erwarten hat, davon ist auszugehen. Ob eine anschließende Sicherungsverwahrung empfohlen wird, ist auch eng mit der Frage verknüpft, wie genau diese Persönlichkeitsstörung, die der Gutachter so als Nährboden für die Tat ausgemacht hat, behandelt werden kann. Und auf der anderen Seite wird spannend zu sehen, was Leons Anwalt diesem Eindruck, der bisher entstanden ist, entgegensetzen kann.
Dem 19-Jährigen wird vorgeworfen im Mai dieses Jahres seine Ex-Freundin Rebecca S. in ihrem Bindlacher Elternhaus mit einem Messer erstochen zu haben. Das Urteil wird am kommenden Freitag (08.11.) erwartet.
jt