Zum ersten Mal seit vier Jahren ist wieder ein Castor-Transport mit hochradioaktiven Abfällen aus dem Ausland durch Deutschland gefahren. Gegen 17.45 Uhr erreichte der Zug mit vier Behältern das staatliche Zwischenlager in Philippsburg bei Karlsruhe, wie die Gesellschaft für Nuklear-Service mbH (GNS) mitteilte. Zwar hatten Atomkraftgegner schon vor Tagen mobil gemacht, der Zug passierte die Strecke quer durch Frankreich, über das Saarland und die Pfalz nach Baden-Württemberg aber ohne Probleme.
Bei dem Transport ging es um Abfälle, die nach der Wiederaufarbeitung von Brennelementen aus deutschen Atomkraftwerken im französischen La Hague übrig geblieben sind. Deutschland ist völkerrechtlich und die deutschen Kernkraftwerksbetreiber sind privatrechtlich dazu verpflichtet, diese Überreste zurückzunehmen. Der Rücktransport deutscher Abfälle aus Frankreich sei nun erfolgreich abgeschlossen, teilte die GNS mit. «Die Rückführung gehört zu einem verantwortungsvollen Atomausstieg», hatte Jörg Michels, Chef der Kernkraftsparte des Kraftwerkbetreibers EnBW, bei einem Termin Mitte Oktober betont.
Früher waren Castor-Transporte in Deutschland von massiven Protesten begleitet worden. Teils gab es Ausschreitungen, Atomkraftgegner wühlten massenhaft Steine aus dem Gleisbett. Seit Deutschland den Atomausstieg beschlossen hat, ist das anders. Schon der letzte Castor-Transport vom Ausland nach Deutschland vor vier Jahren verlief störungsfrei.
Allerdings bauten Atomkraftgegner am Bahnhof in Philippsburg eine Mahnwache auf. Aus ihrer Sicht ist hochradioaktiver Atommüll ein gefährliches Erbe für zukünftige Generationen. Die Kritiker monieren vor allem, dass es nach wie vor kein Endlager gibt. Solange die Langzeitlagerung nicht geklärt ist, sollte es aus ihrer Sicht «keine Atommüllverschiebungen von A nach B» geben, heißt es in einem Schreiben von «Anti-Atom Südwest».
Die Polizei sicherte die Route und Bahnhöfe, auch Hubschrauber waren im Einsatz. Aus Sicherheitsgründen hatten die Verantwortlichen bis zuletzt keine Hinweise auf den Zeitplan und die genaue Strecke gegeben. Atomkraftgegner hatten aber schon die Abfahrt des Transports am Dienstagnachmittag verfolgt. Am Mittwoch passierte er dann die Grenze.
Die jeweilige staatliche Atomaufsicht und von ihr beauftragte unabhängige Gutachter überwachten nach Angaben der GNS unter anderem mit Messungen, dass Vorschriften und Grenzwerte eingehalten wurden. «Bei der Durchführung des Transports stand die Sicherheit von Mensch und Umwelt an erster Stelle.»
Vier spezielle Waggons brachten die Castoren nach Philippsburg. Erst vor wenigen Tagen hatte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in einem Eilverfahren grünes Licht dafür gegeben, dass diese hier in einer massiven Halle untergebracht werden dürfen.
In den kommenden Tagen würden die Behälter nach und nach von den Schienenwaggons auf ein Straßenfahrzeug umgeladen, teilte die GNS mit. Damit sollen sie dann innerhalb des Kraftwerksgeländes nacheinander in das Brennelemente-Zwischenlager gebracht werden.
Seit 2007 lagern auf dem Areal des inzwischen stillgelegten Kernkraftwerkes in einem Zwischenlager radioaktive Abfälle. 102 Plätze sind belegt. Bis auf die vier nun gelieferten Behälter sollen keine weiteren folgen. Der Betrieb des Zwischenlagers ist aktuell bis zum Jahr 2047 genehmigt. Von einer Verlängerung wird mangels eines Endlagers ausgegangen.
Es gibt noch Atomabfälle in England, die auf die Zwischenlager in Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Isar (Bayern) verteilt werden sollen. Die Transporte sind noch nicht genehmigt.
Der bislang letzte Castor-Transport aus dem Ausland nach Deutschland umfasste laut der BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH sechs Behälter des Typs HAW28M. Er führte im November 2020 von der britischen Wiederaufarbeitung in Sellafield nach Biblis.
Castor ist die Abkürzung für die englische Bezeichnung «cask for storage and transport of radioactive material» (Behälter zum Aufbewahren und Transportieren von radioaktivem Material). Auch die Behälter, die in Philippsburg eingelagert werden, sind vom Typ HAW28M (HAW = High Active Waste). Dabei handelt es sich um eine massive Konstruktion aus Gusseisen und Edelstahl, die beladen 115 Tonnen schwer ist.
Die Außenwände haben den Angaben nach eine Stärke von rund 40 Zentimetern. Ein Deckelsystem aus massiven Stahldeckeln erfülle höchste Sicherheitsstandards, so dass der radioaktive Inhalt dauerhaft sicher umschlossen sein soll. Die Behälter hätten Fall- und Feuertests bestanden sowie die Explosion eines mit Gas gefüllten Tankwagens daneben.
In die Behälter passen je 28 sogenannte Kokillen, zylindrische Behälter aus Edelstahl. Die radioaktiven Abfälle wurden bei etwa 1.100 Grad mit Silikatglas verschmolzen und hier hineingefüllt. Die Kokillen können je rund 400 Kilogramm Glasmasse aufnehmen.
Quelle: dpa