Im Gaza-Krieg mehren sich nach monatelangem Stillstand Hinweise auf einen möglichen Durchbruch in den Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln. Eine israelische Delegation traf Medienberichten zufolge in Katar ein, um Gespräche über einen Austausch der noch rund 100 israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen inhaftierte Palästinenser und einen Waffenstillstand zu führen. Israels Verteidigungsminister Israel Katz sagte im Parlament, eine Vereinbarung mit der Hamas sei «näher denn je». Ein Vertreter der Islamistenorganisation äußerte sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur vorsichtig optimistisch.
Hoffnungen auf eine Waffenruhe in dem seit mehr als einem Jahr andauernden Krieg im Gazastreifen und auf den Austausch verschleppter Israelis gegen inhaftierte Palästinenser wurden zwar schon mehrmals enttäuscht. Nachdem das «Wall Street Journal» kürzlich gemeldet hatte, die Hamas sei jetzt zu einer Vereinbarung bereit, geben nun aber auch Berichte der «Times of Israel», des israelischen TV-Senders Channel 12 und der US-Nachrichtenseite «Axios» über eine israelische Delegation in Katar Anlass zu neuer Hoffnung.
Katar bemüht sich zusammen mit den anderen Vermittlern USA und Ägypten seit Monaten um eine Beendigung des Krieges. Er war durch das von Terroristen der Hamas und anderer Gruppen begangene Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 verschleppt wurden. Vorerst gehen die Kämpfe im mittlerweile großflächig zerstörten Gazastreifen jedoch weiter. Angesichts der Waffenruhe mit der Hisbollah-Miliz im Libanon verlegt die israelische Armee nach eigenen Angaben einen Teil ihrer Truppen aus dem Süden des Nachbarlands jetzt nach Gaza.
Unterdessen flog die israelische Luftwaffe nach Angaben von Aktivisten erneut auch im benachbarten Syrien schwere Angriffe. Dabei seien in der Nacht zum Montag mindestens 36 Menschen verletzt worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien mit.
Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad am 8. Dezember durch eine Rebellenallianz unter Führung der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hat Israel seine Angriffe in Syrien massiv ausgeweitet. Bis zu 80 Prozent der militärischen Kapazitäten des Landes wurden nach Angaben der Armee zerstört. Erklärtes Ziel Israels ist es, dass das Waffenarsenal nicht in die Hände von Islamisten fällt, die in Damaskus nun die Macht übernommen haben.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reist derweil heute zu Gesprächen über die Situation in Syrien in die benachbarte Türkei. Bei einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan will sie unter anderem darüber sprechen, was der Machtwechsel im Land für die Region und darüber hinaus bedeuten. Der deutsche Spitzendiplomat Michael Ohnmacht führte im Auftrag der EU zuvor bereits erste Gespräche mit Vertretern der neuen Machthaber, wie die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in Brüssel sagte.
Das Ziel sei, ihre Pläne zu verstehen und eigene Botschaften zu platzieren, sagte sie. Zu Ohnmachts Gesprächspartnern in Damaskus sagte Kallas zunächst nichts. Aus dem Auswärtigen Dienst hieß es lediglich, er habe HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa vorerst nicht getroffen.
Die Türkei gilt nach dem Sturz Assads als einflussreichster ausländischer Akteur in Syrien. Die HTS ist von den Vereinten Nationen und auch von der Türkei als Terrororganisation gelistet, Ankara unterhält aber gute Kontakte zu der Gruppe. Sowohl in der EU als auch in der Türkei gibt es die Hoffnung, dass nach Assads Sturz Stabilität in Syrien einkehrt und mehr Flüchtlinge freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren werden.
Auch der designierte US-Präsident Donald Trump sieht die Türkei in einer Schlüsselrolle. «Niemand weiß, was mit Syrien passieren wird», sagte der Republikaner bei einer Pressekonferenz in seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida. «Ich glaube, die Türkei wird den Schlüssel zu Syrien halten.»
Trump sprach mit Blick auf die Türkei von einer «unfreundlichen Machtübernahme» in Syrien. «Die Türkei steckt dahinter. (…) Sie wollten es seit Tausenden von Jahren, und er hat es hinbekommen. Die Leute, die da hineingegangen sind, werden von der Türkei kontrolliert», sagte Trump. Mit «er» meinte er offenbar den türkischen Präsidenten Erdogan.
Derweil erklärten kurdische Truppen im Norden Syriens nach andauernden Gefechten mit der protürkischen Syrischen Nationalarmee (SNA) Verhandlungen über eine Waffenruhe vorerst für gescheitert. Die Kurden der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) machten Ankara dafür verantwortlich und sagten, die Türkei habe die Verhandlungen nicht ernst genommen.
Die Kurden werden von den Vereinigten Staaten unterstützt und waren nach dem Sturz Assads stark unter Druck geraten. Die SNA rückte zuletzt in kurdisches Gebiet vor und übernahm nach schweren Gefechten die Kontrolle über die strategisch wichtige Stadt Manbidsch.
Die Türkei will die Kurdenmilizen Experten zufolge auf das Gebiet östlich des Flusses Euphrat drängen, möglicherweise für einen weiteren Vormarsch der protürkischen Gruppen bis zur syrisch-kurdischen Grenzstadt Kobane. Während die SDF für die USA ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien sind, sieht die Türkei die Miliz als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK – und damit als Terrororganisation.
Das US-Militär griff unterdessen erneut Dschihadisten des IS in Syrien aus der Luft an. Dabei wurden zwölf Kämpfer getötet, wie das Regionalkommando des US-Militärs für den Nahen Osten (Centcom) mitteilte. «Ziel war es, die Terrorgruppe an externen Operationen zu hindern und sicherzustellen, dass ISIS nicht nach Möglichkeiten sucht, sich in Zentralsyrien neu zu formieren». ISIS ist die in den USA übliche Abkürzung für den IS. Die Angriffe hätten in Gebieten stattgefunden, die ehemals von Assad und seinem Verbündeten Russland kontrolliert wurden.
Quelle: dpa