Die Australienreise von König Charles III. wird von einem Eklat überschattet. Bei einem Besuch des Parlaments beendet der Monarch gerade eine Rede, als eine indigene Senatorin ihrem Ärger mit deutlichen Worten Luft macht. «Sie sind nicht mein König, Sie sind nicht unser König!», ruft die Politikerin Lidia Thorpe laut in den Saal. Bevor sie von Sicherheitsleuten abgeführt wird, fordert sie: «Geben Sie uns unser Land zurück!» und schimpft noch lautstark auf den Kolonialismus.
Es ist die erste große Auslandsreise des Königs mit seiner Frau Königin Camilla seit Bekanntmachung seiner Krebsdiagnose – und sie macht direkt über Großbritannien hinaus Schlagzeilen. Der 75-Jährige ist nicht nur Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreichs, sondern unter anderem auch vom Commonwealth-Land Australien.
Der kurze Moment in Canberra wirft ein Schlaglicht auf die schwierige Geschichte des Kontinents, der früher einmal britische Kolonie war. Australien ist heute eine parlamentarische Monarchie. Auch wenn politische Entscheidungen von Parlament und Regierung getroffen werden, ist Charles offiziell Staatsoberhaupt.
Politikerin Thorpe allerdings, die sich für die indigene Bevölkerung einsetzt und der britischen «Times» zufolge immer wieder mit Protestaktionen auffällt, findet das falsch. Sie habe Charles die klare Botschaft senden wollen, dass er nicht König ihres Landes sei, sagte sie dem britischen Rundfunksender BBC. Viele andere Ureinwohner sind genauso wütend wie sie, seit Sonntag kam es zu mehreren kleineren Protestaktionen.
Regierungschef Anthony Albanese ist selbst Republikaner. Noch bis Anfang des Jahres sah es so aus, als wolle seine Regierung ein Referendum über die Abschaffung der konstitutionellen Monarchie abhalten, doch das scheint keine Priorität mehr. Bei vielen Australiern ist die königliche Familie dem Institut YouGov zufolge auch weiter beliebt.
Experten sehen die Debatte gelassen. «Der König hat – wie schon seine Mutter Queen Elizabeth II. – klargestellt, dass die Stellung der Krone in Australien eine Angelegenheit der Australier ist», hatte der Verfassungsrechtler Craig Prescott von der Londoner Universität Royal Holloway gesagt.
Die Protestaktion kritisierte Albanese der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge als respektlos: «Das entspricht nicht dem Verhalten, das Australier zu Recht von Parlamentariern erwarten.»
In den Debatten geht es nicht nur um die Staatsform des Landes. Vertreter indigener Australier fordern auch Entschädigung für Vertreibungen der Aborigines. Thorpe, die einen traditionellen Umhang trug, brachte den Vorwurf des Genozids, des Völkermords auf. «Geben Sie uns, was Sie uns gestohlen haben. Unsere Knochen, unsere Schädel, unsere Babys, unser Volk. Sie haben unser Land zerstört. Geben Sie uns einen Vertrag», forderte sie. Zuvor hatte sie sich schon beim Klang der britischen Nationalhymne «God Save the King» demonstrativ umgedreht und dem Haus den Rücken zugewandt.
Die Aborigines bevölkern den australischen Kontinent seit mehr als 65 000 Jahren. Mit der Kolonisierung durch die Briten begann für sie aber eine Zeit der Unterdrückung. Erst 1967 wurden ihnen Bürgerrechte eingeräumt. Bis in die 1970er Jahre wurden zudem indigene Kinder ihren Familien weggenommen, um sie in christlichen Missionen oder bei weißen Familien «umzuerziehen». Erst 2008 entschuldigte sich die Regierung unter dem damaligen Premier Kevin Rudd für das Leid, das den Opfern der «Stolen Generation» zugefügt wurde.
Der Nachrichtenagentur PA zufolge ließ sich Charles von der Protestaktion nicht aus der Ruhe bringen. In seiner Rede im Parlament hatte er seine Wertschätzung für die Weisheit der indigenen Bevölkerung zum Ausdruck gebracht. Während seiner vielen Besuche in Australien habe er den Mut und die Hoffnung gesehen, die das Land durch die lange und manchmal schwierige Reise der Versöhnung geführt hätten, sagte er. Das Paar will auf seiner Reise auch am Commonwealth-Gipfel im pazifischen Inselstaat Samoa teilnehmen.
«Thorpes Ausbruch wird wahrscheinlich die Sympathien für die Royals bei den Australiern verstärken, die der Monarchie ambivalent gegenüberstehen, aber glauben, dass man zumindest freundlich zu Gästen sein sollte», schrieb eine Autorin des britischen «Guardian». Wenn ihre Protestaktion sonst nichts bewirke, erinnere sie zumindest daran, dass «die Klärung unserer Identität noch einen weiten Weg vor sich hat und deutlich unbequemer sein wird als eine laute, wütende Stimme, die einen Empfang stört».
Quelle: dpa