Terrorismus

«Sächsische Separatisten» - Razzia gegen rechte Terrorgruppe

05. November 2024 , 21:46 Uhr

Rassistisch, antisemitisch, apokalyptisch? Eine militante Terrorgruppe soll von einem bevorstehenden Kollaps Deutschlands ausgegangen sein. Ihr Plan für die Zeit danach ähnelt dem Nationalsozialismus.

Bei einer Razzia gegen eine mutmaßliche militante Neonazi-Gruppe haben Einsatzkräfte in Sachsen und Polen acht Männer festgenommen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen, terroristischen Vereinigung vor. Unter den Festgenommenen ist nach dpa-Informationen auch ein Mitglied der AfD: ein Lokalpolitiker aus Sachsen, der auch Mitglied der Jungen Alternative Sachsen ist. 

Bis Dienstagabend wurden sechs der acht Männer in Untersuchungshaft genommen, wie die Bundesanwaltschaft mitteilte. Wann die anderen beiden Tatverdächtigen dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden, war zunächst unklar. Einer von ihnen konnte laut Bundesanwaltschaft wegen einer Verletzung nicht nach Karlsruhe gebracht werden, der andere befinde sich noch in Polen, wo er festgenommen worden war.

Die Gruppe nenne sich «Sächsische Separatisten», teilte Deutschlands oberste Anklagebehörde mit. Ihre Ideologie sei von rassistischen, antisemitischen und teils apokalyptischen Vorstellungen geprägt. Sie soll geplant haben, an einem unbestimmten «Tag X» mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls auch in anderen ostdeutschen Ländern zu erobern, um dort ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen zu etablieren. «Unerwünschte Menschengruppen sollen notfalls durch ethnische Säuberungen aus der Gegend entfernt werden», so die Bundesanwaltschaft.

AfD distanziert sich von der Gruppe

Nach offiziell noch unbestätigten Angaben aus Sicherheitskreisen war der AfD-Lokalpolitiker am Morgen bei der Razzia mit einer Langwaffe vor die Polizeibeamten getreten. Ein Beamter habe daraufhin zwei Warnschüsse abgegeben, hieß es. Der Beschuldigte habe einen Bruch am Kiefer erlitten und werde operiert. Wie es zu der Verletzung kam und weitere Details zu dem Zwischenfall sollen Zeugenvernehmungen klären.

Der sächsische AfD-Landesverband wies jegliche Verbindung zu der betroffenen Gruppierung zurück. «Wir kennen nur die bisherigen Presseberichte zu diesem Vorgang. Unsere Partei steht fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Mit einer solchen mutmaßlich neonazistischen „Separatistengruppierung“ verbindet uns weder inhaltlich noch organisatorisch irgendetwas», sagte Parteisprecher Andreas Harlaß der Deutschen Presse-Agentur. 

Auch der AfD-Vorsitze Tino Chrupalla distanzierte sich ausdrücklich von der Gruppierung. Berichte, wonach unter den Festgenommenen ein AfD-Lokalpolitiker sei, seien «vollkommen schockierend», betonte Chrupalla in Berlin. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, hätten solche Personen «weder in der JA noch in der AfD etwas zu suchen».

Gruppe übte Häuserkampf und Patrouillengänge

Spätestens im November 2020 soll sich die Gruppe nach Angaben der Bundesanwaltschaft gegründet haben. Vier der am Dienstag festgenommenen deutschen Staatsbürger sollen zu den ursprünglichen Mitgliedern gehört haben, einer soll Rädelsführer gewesen sein. Die anderen haben sich nach Erkenntnissen der Karlsruher Anklagebehörde später angeschlossen. Der Älteste von ihnen ist nach dpa-Informationen 25 Jahre alt. 

Die Männer hätten wiederholt paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung absolviert. «Dabei wurden insbesondere der Häuserkampf, der Umgang mit Schusswaffen, Nacht- und Gewaltmärsche sowie Patrouillengänge eingeübt», heißt es in der Mitteilung. Zudem habe sich die Gruppierung militärische Ausrüstungsgegenstände wie Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten besorgt.

«Dass der Umgang mit Waffen trainiert und militärische Ausrüstung beschafft wurde, zeigt, wie gefährlich diese Rechtsextremisten sind», sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie verwies auf die frühzeitige Aufklärung der Gruppe durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Durchsuchungen in Sachsen, Polen und Österreich

Insgesamt waren bei den Festnahmen und Durchsuchungen in Deutschland über 450 Sicherheitskräfte und Polizeibeamte des Bundeskriminalamts (BKA), Spezialkräfte der Bundespolizei und des Landeskriminalamts Sachsen im Einsatz. Die Festnahmen der jungen Männer erfolgten bis auf eine Ausnahme alle in Sachsen, genauer gesagt im Raum Leipzig, in Dresden und im Landkreis Meißen. Die Durchsuchungen richteten sich nach Angaben der Bundesanwaltschaft auch gegen sieben weitere Beschuldigte, die noch auf freiem Fuß sind.

Der mutmaßliche Rädelsführer der Gruppe hielt sich zum Zeitpunkt des Zugriffs zwar in Polen auf. Doch auch er stammt aus Sachsen. Der polnische Inlandsgeheimdienst ABW teilte mit, Beamte hätten ihn auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls in Zgorzelec festgenommen. In Österreich – in Wien und im Bezirk Krems-Land – durchsuchte die Polizei zwar zwei Objekte. Festgenommen wurde dort aber niemand.

«Es ist ein großer Erfolg, dass es dem Generalbundesanwalt und den Sicherheitsbehörden gelungen ist, diese ungeheuerlichen Pläne aufzudecken und die Verantwortlichen festzunehmen», sagt Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Gleichzeitig mahne dieser Ermittlungserfolg abermals: «Unser Rechtsstaat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung werden von vielen Seiten bedroht.»

Quelle: dpa

 

Das könnte Dich auch interessieren

05.11.2024 Festnahmen bei Razzia gegen mutmaßliche Rechtsterroristen Rassistisch, antisemitisch, apokalyptisch? Eine militante Terrorgruppe soll von einem bevorstehenden Kollaps Deutschlands ausgegangen sein - und für den «Tag X» Pläne gehabt haben. 22.10.2024 Mutmaßlicher Linksextremist in Berlin festgenommen Ein Mann soll unter anderem als Kampftrainer für die Gruppe um die Studentin Lina E. tätig gewesen sein. Nun konnte die Polizei ihn in Berlin festnehmen. 14.10.2024 Zehn Jahre Haft für Stasi-Mord - «gnadenlos ausgeführt» Am DDR-Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße in Berlin wird ein Mann hinterrücks erschossen. Erst nach Jahrzehnten kommt es zum Prozess - und ein Ex-Stasi-Mann soll ins Gefängnis. 14.10.2024 Urteil erwartet im Prozess gegen Ex-Stasi-Offizier Am DDR-Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße in Berlin wird ein Mann im Auftrag der Stasi erschossen. Erst 50 Jahre später kommt der Fall vor Gericht. Nun wollen die Richter ihr Urteil sprechen.