Lage im Überblick

Scharfe Kritik an Verbot der UNRWA-Arbeit in Israel

29. Oktober 2024 , 04:42 Uhr

Israel schränkt die Arbeit des UN-Hilfswerks für die Palästinenser massiv ein. Das stößt auf Kritik. Derweil gibt es neue Ideen für eine Waffenruhe in Gaza. Ein Durchbruch ist jedoch nicht in Sicht.

Das vom israelischen Parlament gegen das Palästinenserhilfswerk UNRWA verhängte Arbeitsverbot stößt international auf scharfe Kritik. Die Umsetzung der Gesetzesentwürfe «könnte verheerende Folgen für die palästinensischen Flüchtlinge in den besetzten palästinensischen Gebieten haben, was nicht hinnehmbar ist» erklärte UN-Generalsekretär António Guterres. Er werde die UN-Generalversammlung in Kenntnis setzen und fordere Israel auf, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.

«Diese Gesetzesentwürfe werden das Leiden der Palästinenser nur noch verschlimmern, insbesondere in Gaza, wo die Menschen seit mehr als einem Jahr durch die Hölle gehen», schrieb UNRWA-Leiter Philippe Lazzarini auf der Plattform X. Die Entscheidung des Parlaments, das Hilfswerk «von seiner lebensrettenden und gesundheitsschützenden Arbeit für Millionen von Palästinensern auszuschließen, wird verheerende Folgen haben», warnte auch der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus.

 

Das israelische Parlament hatte den umstrittenen Gesetzentwurf, der der Organisation die Tätigkeit auf israelischem Staatsgebiet untersagt, mit riesiger Mehrheit gebilligt. Das bedeutet, dass das Hilfswerk auch in den Palästinensergebieten seine Einsätze kaum fortsetzen kann, weil Israel die Grenzübergänge kontrolliert. Ein zweiter, ebenfalls gebilligter Gesetzentwurf untersagt jeglichen Kontakt israelischer Behörden mit dem Hilfswerk.

Die USA, die Israels wichtigster Verbündeter sind, sowie andere westliche Länder hatten den jüdischen Staat gedrängt, die beiden Gesetzentwürfe nicht voranzutreiben. Ihre Verabschiedung werde wahrscheinlich den Druck auf die Regierung von US-Präsident Joe Biden erhöhen, die Militärhilfe für Israel auszusetzen, schrieb das US-Nachrichtenportal «Axios».

Neue Bemühungen um Waffenruhe in Gaza

Unterdessen gehen die Bemühungen der internationalen Vermittler weiter, die seit Wochen stockenden Gespräche über eine Waffenruhe im Gazastreifen voranzubringen. CIA-Direktor William Burns habe eine 28-tägige Feuerpause und die Freilassung von etwa acht Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas im Austausch gegen Dutzende palästinensische Strafgefangene vorgeschlagen, berichtete «Axios» unter Berufung auf drei israelische Beamte.

Burns habe die Idee während eines Treffens am Sonntag mit seinen israelischen und katarischen Gesprächspartnern in Doha erörtert, hieß es. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte an dem Tag gesagt, er habe eine zweitägige Feuerpause vorgeschlagen. In deren Zuge sollen vier israelische Geiseln gegen mehrere palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden. Burns habe mit den Gesprächspartnern aus Katar und Israel Möglichkeiten erörtert, auf Ägyptens Idee aufzubauen, sagten israelische Beamte «Axios». Ägypten gehört neben den USA und Katar zu den Vermittlern in den indirekten Gesprächen. 

Bei den Gesprächen in Katar sei über eine neue Initiative verhandelt worden, die frühere Vorschläge kombiniere, teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit. Sie berücksichtige «die zentralen Fragen und die jüngsten Entwicklungen in der Region», hieß es ohne weitere Details. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, sei nach den Gesprächen mit Burns sowie Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani wieder aus Doha abgereist. In den kommenden Tagen sollen die Gespräche mit den Vermittlern fortgesetzt werden.

USA gegen Umsetzung des UNRWA-Verbots in Israel

US-Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin hatten vor gut zwei Wochen in einem Brief an die israelische Führung ihre «tiefe Besorgnis» über die humanitäre Lage in Gaza geäußert und «dringende und nachhaltige Maßnahmen» gefordert. Darin hätten sie klargestellt, dass die Verabschiedung der Gesetze zu UNRWA Auswirkungen auf das US-Recht und die US-Politik haben könnte, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. «Dies ist nach wie vor der Fall.»

Sollte sich die Situation für die Menschen in dem abgeriegelten Küstenstreifen nicht innerhalb von 30 Tagen spürbar verbessern, könnte ein Verstoß gegen US-Gesetze zur militärischen Unterstützung vorliegen, hatte es vor gut zwei Wochen aus Washington geheißen. Das könnte auch die amerikanische Militärhilfe für Israel gefährden. Man fordere Netanjahus Regierung dringend auf, die Umsetzung der Gesetze zu stoppen, sagte Miller. Das UNRWA stehe im Gazastreifen «an vorderster Front» bei den Bemühungen, die Menschen mit humanitärer Hilfe zu versorgen. «Es gibt niemanden, der sie jetzt mitten in der Krise ersetzen kann», so Miller

Gesetzesänderungen treten binnen 90 Tagen in Kraft

Israel wirft dem Palästinenserhilfswerk vor, dass einige der Mitarbeiter an Terroraktivitäten beteiligt gewesen seien. «UNRWA ist gleich Hamas», sagte der Abgeordnete Boaz Bismuth von Netanjahus rechtskonservativer Regierungspartei Likud, einer der Initiatoren des ersten Gesetzes.

Behörden in Israel soll jeglicher Kontakt mit der Organisation untersagt werden, sobald die Änderungen in Kraft treten. Das soll binnen 90 Tagen nach Veröffentlichung des Gesetzes geschehen. Das Hilfswerk müsste dann jegliche Tätigkeit auf israelischem Territorium einstellen – was vor allem den arabisch geprägten Ostteil Jerusalems beträfe. In der Zeit soll nach israelischer Vorstellung ein Ersatz für UNRWA gefunden werden.

Das Hilfswerk geriet im Januar in die Schlagzeilen, weil Israel behauptete, zwölf Mitarbeiter des Hilfswerks seien in das Massaker vom 7. Oktober 2023 verwickelt gewesen und die Organisation als Ganzes sei von der Hamas unterwandert. Ein Prüfbericht unabhängiger Experten kam später zu dem Schluss, UNRWA habe «robuste» Mechanismen etabliert, um seinen Neutralitätsgrundsatz zu wahren. Allerdings gebe es Verbesserungsbedarf. 

UNRWA für fast sechs Millionen Flüchtlinge zuständig

Die Vereinten Nationen hatten das Hilfswerk im Jahr 1949 gegründet, um palästinensischen Flüchtlingen zu helfen. Anspruch auf dessen Dienste haben Palästinenser, die während der Kriege 1948 und 1967 flüchteten oder vertrieben wurden, sowie ihre Nachkommen. Mittlerweile sind das nach Angaben der Organisation rund 5,9 Millionen Menschen – und die Zahl steigt stetig weiter. Das Hilfswerk ist unter anderem auch in Jordanien und im Libanon tätig.

Das UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) hat mehr als 30.000 Mitarbeiter, die meisten davon sind Palästinenser. Allein im Gazastreifen beschäftigt das Hilfswerk rund 13.000 Mitarbeiter. Die meisten von ihnen sind selbst Flüchtlinge mit eigenen Schicksalen im Nahost-Konflikt. Die Organisation bietet palästinensischen Flüchtlingen grundlegende Dienstleistungen in Bereichen wie Bildung und Gesundheitsversorgung. Seit Beginn des Gaza-Kriegs stellte sie auch Unterkünfte für Hunderttausende Binnenflüchtlinge zur Verfügung und leistet humanitäre Hilfe.

Quelle: dpa

 

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