Nach der einstimmigen Nominierung durch den SPD-Vorstand als Kanzlerkandidat setzt Olaf Scholz darauf, dass seine Partei nun geschlossen mit ihm in den Wahlkampf zieht. Die von vielen Parteimitgliedern als chaotisch empfundene Klärung der K-Frage will er schnell hinter sich lassen: «Wir haben einmal kurz innegehalten und überlegt, was ist das Beste zu tun. Jetzt handeln wir gemeinsam», sagte der 66-Jährige. Das sei die Stimmung im Parteivorstand gewesen, «und auch vieles, was ich in den letzten Tagen gehört habe»
In einem Brief an alle Parteimitglieder gab sich Scholz trotz bis zu 19 Prozentpunkten Rückstand auf die Union in den Umfragen zuversichtlich, dass er die Trendwende wie bei der letzten Wahl noch schaffen kann: «Gemeinsam mit Euch will ich die kommende Bundestagswahl gewinnen. Und ich bin sicher: Wenn wir zusammen dafür kämpfen, dann ist das auch möglich.»
Alle 33 Mitglieder des Parteivorstands stimmten für Scholz, darunter auch Boris Pistorius. In den vergangenen zwei Wochen hatte die Partei öffentlich darüber diskutiert, ob der deutlich beliebtere Verteidigungsminister als Ersatzkandidat für den nach dem Scheitern seiner Ampel-Regierung angeschlagenen Scholz eingewechselt werden soll.
Scholz antwortete bei der Pressekonferenz nicht auf die Frage, warum er der bessere Kanzlerkandidat als Pistorius sei. «So diskutieren wir in der SPD nicht», sagte er. Er sei lange mit Pistorius befreundet und habe ihn gebeten, Bundesverteidigungsminister zu werden. Nun wolle man «gemeinsam diesen Wahlkampf führen und gewinnen». Bei der Pressekonferenz mit den beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil stellte sich Pistorius demonstrativ an die Seite des Kanzlers.
Scholz kündigte an, die SPD werde sich im Wahlkampf für die weitere Unterstützung der Ukraine, für den Erhalt von Arbeitsplätzen, für gute Löhne und für bezahlbare Energiepreise einsetzen. Auch die Zukunft der Rente werde ein Thema werden. «Bei der nächsten Bundestagswahl wird entschieden, ob es eine stabile Rente in Deutschland gibt oder nicht.»
Esken sagte nach der Nominierung: «Mit seiner prinzipienfesten entschlossenen Art ist er der richtige Mann für das Kanzleramt.» Sie schwor ihre Partei auf einen kurzen, knackigen und kämpferischen Wahlkampf ein. «Es wird kalt sein auf den Straßen, aber wir sind längst auf Betriebstemperatur.» Die SPD kämpfe für die Menschen, die das Land am Laufen hielten, die Angst um ihren Arbeitsplatz hätten und deren Einkommen unter Druck seien.
Pistorius hatte erst am vergangenen Donnerstag auf eine Kandidatur verzichtet und so den Weg für die Nominierung von Scholz freigemacht. In der SPD wirkt die Hängepartie in der K-Frage aber noch nach. Beim Bundeskongress der Jungsozialisten (Juso), des Jugendverbands der SPD, gab es am Wochenende scharfe Kritik an der Parteiführung deswegen. Juso-Chef Philipp Türmer warf den Parteivorsitzenden Esken und Klingbeil Führungsversagen vor und sprach von einer «Shit Show».
Esken räumte daraufhin ein: «Nein, wir haben kein wirklich gutes Bild abgegeben bei der Nominierung unseres Kanzlerkandidaten.» Klingbeil verteidigte das Vorgehen der Parteiführung dagegen. «Mein Führungsanspruch ist schon, dass man in die Partei reinhorcht, dass man Debatten führt, dass man in unterschiedlichen Szenarien auch denkt», sagte er im Deutschlandfunk.
Nach der Nominierung muss die Kanzlerkandidatur von Scholz noch auf dem Parteitag am 11. Januar bestätigt werden. Das gilt als Formsache. Scholz muss sich aber an seinem Ergebnis vom Mai 2021 – gut vier Monate vor der Bundestagswahl – messen lassen. Damals wurde Scholz mit 96,2 Prozent der Stimmen bestätigt.
Die SPD lag zu diesem Zeitpunkt wie heute in den Umfragen zwischen 14 und 16 Prozent. Erst ein Lacher des Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet im Flutgebiet brachte im Sommer die Wende: Die SPD wurde mit 25,7 Prozent noch stärkste Kraft.
Auf Fehler des Herausforderers hofft die SPD auch diesmal. Die Partei will den Wahlkampf auf das Duell zwischen Scholz und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zuspitzen. Ihm werfen die Sozialdemokraten rückwärtsgewandte Politik vor und wollen vor allem mit der Regierungserfahrung und Themensicherheit von Scholz punkten.
Klingbeil bescheinigte Scholz Nervenstärke, Besonnenheit und Standhaftigkeit. Auf der anderen Seite stehe Merz: «Der hat noch nie in einem Regierungsamt Verantwortung für dieses Land und die Menschen dieses Landes übernommen. Und das Experiment wäre doch sehr groß, so jemanden an die Spitze des Landes zu wählen, und das erst recht in diesen Zeiten.»
Bei den Beliebtheitswerten schneidet der Kanzler in den Umfragen aber weiterhin schlechter ab als Merz. Im aktuellen ZDF-«Politbarometer» liegt er auf Platz 7 und Merz auf Platz 5. Pistorius ist unangefochten die Nummer 1. Die Daten wurden aber vor der Entscheidung der SPD in der K-Frage am vergangenen Donnerstag erhoben.
Scholz ist nach Merz und bei den Grünen Vizekanzler Robert Habeck der dritte Kanzlerkandidat, der von seiner Partei für die Wahl am 23. Februar aufgestellt wurde. Am 7. Dezember will der AfD-Vorstand dann noch Parteichefin Alice Weidel als Kanzlerkandidatin nominieren. Erstmals gibt es damit vier Kanzlerkandidaten und -kandidatinnen bei einer Bundestagswahl.
Quelle: dpa